Freitag, 18. April 2008

Österliche Repressionen



Hier das nächste Bild meiner kleinen Postkarten-Retrospektive. Ursprünglich wollte ich dieses Jahr zu Ostern wieder ein Gemälde malen und dafür einige Figuren modelliert, wurde dann aber von dem ungewöhnlich frühen Ostersonntag Ende März eingeholt. Ich habe mich deshalb entschieden, die vier Figuren aus Modelliermasse mit Acryl zu bemalen und photographieren zu lassen. Selbiges besorgte wie schon bei der Weihnachtspostkarte dankenswerterweise André Wirsig.

Dem Modell ist eine Skizze vorangegangen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Wie man erkennen kann, waren die Figuren ursprüglich viel hochgeschossener, ich habe mich dann beim Modellieren für die dickere Variante entschieden.

Man kann die Karte auf die verschiedensten Arten deuten. Ich möchte hier jedoch nicht allzu viel analysieren, weil das dem Betrachter eigene Interpretationsmöglichkeiten versperren würde.

Dienstag, 15. April 2008

Trialog im Atelier

Im Atelier des Künstlers Jens Ossada fand am letzten Dienstag in Mittweida der erste Trialog statt. Dabei diskutierten in lockerer Runde jeweils drei Leute über die verschiedensten Themen. Prof. Dr. Hans-Werner Graf hat das Gespräch dabei wieder unvergleichlich moderiert und das erste Buch des Ausnahmekünstlers Jens Ossada vorgestellt.

Ich war in der Runde auch geladen und habe das kürzlich erschienene zweite Buch, Bundich, besprochen. Interessant war auch die Frage, ob es sich in einer Kleinstadt nicht ruhiger arbeiten läßt als etwa in einer Großstadt.

Hier meine Rezension des Buches Bundich:
Im Anfang war die Tat. War das erste Buch des Mittweidaer Künstlers Ossada noch stark von Rebellion gegen die Konventionen geprägt, ist er nun ganz im künstlerischen Alltag angekommen. Mit einem Bündel an Fragen im Gepäck begibt sich hier auf die Suche. Er hält Ausschau nach dem Wesen Mensch und sucht einen Schlüssel zum Verständnis dessen zu finden. Dabei ist ihm alles gleich wichtig und er hütet sich, allzu schnelle Urteile zu fällen. Ossada ist im Grunde seines Herzens ein Idealist, und um die Welt um ihn herum zu verstehen, schafft er sich ein imaginäres Alltags-Ich, Bundich. Dieses Buddha und Ich hilft ihm beim Verständnis der im Buch aufgeworfenen Fragen: wie hältst du's mit Provinznazis, deutschem Konsumverhalten und Frauen? Und schnell wird klar: dieses Buch dient dazu, Erlebnisse zu reflektieren, zu verarbeiten und dann in eigene Kunst zu transformieren. Ossada endet mit der Feststellung, daß EIN Weltbild nicht exisitert. Diese Erkenntnis, daß sich die Welt nicht in Schneekuppeln zwängen läßt, sondern wie bei Dostojewskij immer polyphon ist, beschließt ein schönes Büchlein eines vitalen Künstlers.

Die Tageszeitung Freie Presse hat am 11. April 2008 über die Veranstaltung berichtet. Einen Mitschnitt des Gesprächs kann man auf der Seite des Künstlers hören.

Der nächste Trialog findet am 6. Mai statt, in welchem wir Jonathan Littells kontroversen und überraschenden Erfolgsroman Les Bienveillantes/Die Wohlgesinnten (Prix Concourt, Prix de l'Académie française) besprechen werden. Interessant dürften auch die Bezüge zum Kino werden, etwa zu Lanzmanns Shoah oder Viscontis La Caduta degli dei. Als Dritte in der Runde wird dabei Frau Prof. Dr. Schmidt von der hiesigen Hochschule am Gespräch teilnehmen.

Reise ins Ich



Am Ostersonntag habe ich die Gunst der Stunde genutzt, mir eine Kamera auf den Rücken geschnallt und einen kleinen Kurzfilm gedreht. Das Resultat war überraschenderweise nicht nur ein ein Gang durch die unwirkliche, schneebedeckte österliche Landschaft sondern auch eine Reise in das eigene Unterbewußtsein. Der Film wird im Cinephilenforum DVDuell ausführlich diskutiert.

Das nächste Kurzfilm-Projekt wird wesentlich aufwendiger und ist zu großen Teilen bereits abgedreht. Ich werde es voraussichtlich Mitte Mai auch hier vorstellen.
Ein paar Screenshots des fertigen Films kann man hier vorab schon anschauen:

Karten und Konsumgesellschaft



Seit ein paar Jahren habe ich damit begonnen, an Festtagen nervigen E-Mail-Grüßen abzuschwören und regelmäßig kleine Postkarten zu verschicken und mir bei der Gelegenheit gleich Gedanken zu den jeweiligen Festen zu machen. Daraus ist eine kleine Serie von Postkarten entstanden, die ab jetzt sozusagen retrospektiv nochmals im Netz veröffentlicht werden.

Als erste ist mein Weihnachtsgemälde von 2007 zu sehen, meine Darstellung der Konsumgesellschaft an Weihnachten. Acryl auf Leinwand, 50x70cm. Die Reproduktion besorgte dankenswerterweise André Wirsig.

Bis das Bild realisiert werden konnte war es ein langer Weg. Anschließend noch eine Skizze und ein Modell aus der Vorbereitungsphase.

Der Anfang

Es ist soweit. In Zukunft werde ich hier einige meiner Zeichnungen, Gemälde und Kurzfilme zu den unterschiedlichsten Themen vorstellen und über Veranstaltungstermine informieren.

Vielleicht noch etwas über mich. Mein Leben ist schon immer etwas jenseits der üblichen Pfade verlaufen, der Leser möge also manchen biographischen Sprung verzeihen. Als kleiner Junge stürzte ich mich versonnen in Märchenwelten, studierte die Pflanzenwelt und konnte tagelang in Comicuniversen verschwinden, die ich dann auch zeichnen lernte um anschließend eigene zu schaffen.

Mit 18 las ich zum ersten Mal Moby Dick und sah Wagners Tristan und Isolde und war auf einen Schlag Literatur und Musik verfallen. Moby Dick erregte dabei weniger der verrückten Handlung wegen mein Interesse, sondern weil ich zum ersten Mal begriff, wie vielstimmig und ganzheitlich die Welt ist. Dieses Buch hatte bei mir die Tür aufgestoßen, durch die ich die nächsten Jahre gehen sollte, der Pfad des Wissens und des Verstehens. Klavier habe ich eigentlich nur gelernt, um mal Wagner spielen zu können. Das kann ich zwar bis heute nicht perfekt, hat bei mir aber zumindest die Erkenntnis reifen lassen, daß das ein kleines Stück von Mozart mehr sein kann als ein Gesamtkunstwerk und mich somit von meiner Wagnerianie geheilt.

Mit 20 tauchten dann die ersten Fragen auf, wie man die Welt denn verstehen könnte. Und da hat mir ein hoffnungslos der Spielsucht verfallender Russe namens Dostojewski helfen können. Er meinte, daß man als Einzelner immens viel bewegen könne und so durch das Akzepieren von Vielstimmigkeit und Unvollkommenheiten die Menschen befähigt, selbst nachzudenken.

Dank Proust habe ich gelernt, daß die kleinste Nichtigkeit oft mehr wert sein kann, als alle Vernunft und Strukturen zusammengenommen. Man sollte also von Zeit zu Zeit den rationellen Filter vor sich abnehmen und die Realität naturtrüb genießen, sonst entgeht vieles. Während dieser Zeit habe ich angefangen zu malen und mir ist aufgefallen, daß es oft mehr Wert sein kann, über die Dinge nachzudenken und dabei erstmal zu scheitern als gleich abschließende Wahrheiten erzwingen zu wollen. Wie Renoir sagte hat die Kunst die wesentliche Aufgabe, uns von der Materie zeitweilig freizumachen, und dadurch auch das Unterbewußtsein zu entfesseln, und wenn man so will, auch Kreativität, diese allzu-gebrechliche, stets unterdüngte Pflanze, zum Blühen zu bringen.

2001 habe ich dann 2001 gesehen, das filmische Monument von Kubrick und bin seitdem hoffnungslos der Cinéphilie verfallen. 2001 war für mich die Erkenntnis, daß Film nicht nur Kunst ist, und somit jedem Montaigne, jedem Tizian und Beethoven gleichzusetzen ist, sondern daß er als DIE Kunst des 20. Jahrhunderts (richtig angewendet) die Menschen genauso vorranbringen kann wie es Literatur, Malerei und Musik vermögen. Von da an startete eine Odyssee von Kubrick über Hitchcock zu Truffaut und von da an zu Chabrol, Rohmer, Godard, Scorsese, Tati, Syberberg, Straub, es wäre müßig weiterzumachen, weil die Namen für mich heute eher Nebensache sind und einzig zählt, ob der Künstler mich in irgendeiner Weise anspricht oder nicht. Wie Godard sagte: Film ist die Sicht einer Generation auf ihre Welt.

Während meiner Hochschulzeit — ich studierte Wirtschaftsingenieurwesen und diplomierte über neue Ansätze zur Wachstumstheorie — konnte ich mit zudem Vorträgen über Film und Literatur immer mehr meiner Passion widmen. Nach dem Studium habe ich alles auf eine Karte gesetzt und mich an der Sorbonne eingeschrieben und eine zeitlang Französisch studiert. In Paris waren es die Cinephilie, die Liebe zur Kunst, zur Politik und die vielen Diskussionen, die mich begeisterten. Aber auch, daß der Franzose keine sofortigen Wahrheiten akzeptiert und lieber hinterfragt, während der Deutsche meint, alles sei doch klar.

Mittlerweile bin ich wieder im lauschigen Deutschland angekommen, verdiene im Familienbetrieb meine Brötchen und bin der festen Überzeugung, daß man auch jenseits der Metropolen etwas verändern kann, ja sogar muß. Wir leben da heute in einer Zeit, wo in wundersamer Weise alles möglich ist. Ich bin nach wie vor künstlerisch produktiv, und habe dieses Jahr mit der Realisierung einiger Kurzfilmprojekte begonnen, die ich hier auch vorstellen werde. L'avenir, c'est nous! Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, Reflektieren und Kommentieren.